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Unterrichtsversorgung: Schulen am Rande der Leistungsfähigkeit

 

Betroffen sind alle Schularten – besonders dramatisch zeigt sich die Situation an Grund-, Förder- und Schwerpunktschulen.

Das Thema Unterrichtsversorgung ist immer wieder ein „Aufregerthema“ zwischen GEW und Bildungsministerium. Nach den schlechten Erfahrungen mit dem Statistik-Tool des neuen Schulverwaltungsprogramms „edoosys“ im Herbst letzten Jahres, sind valide Zahlen zur aktuellen Unterrichtsversorgung seitens des Bildungsministeriums derzeit wohl kaum zu erwarten. Aus diesem Grund hatte die GEW Rheinland-Pfalz sich an den Schulen umgehört, um sich ein eigenes Bild zur Unterrichtsversorgung in den jeweiligen Schularten zu machen.

Die Ergebnisse sind – auch nach Rücksprache mit den einzelnen Personalvertretungen – erschreckend: Die Grundschulen, die Förderschulen und die Schwerpunktschulen stehen mit dem Rücken zur Wand. Auch die anderen Schularten beklagen: Es gibt definitiv zu wenig Personal an den Schulen.

An denGrundschulen zeigt sich immer deutlicher, dass es nicht mehr in ausreichendem Maße gelingt, qualifizierte Bewerber:innen für Planstellen zu gewinnen.

Trotz sinnvoller Maßnahmen des Bildungsministeriums, ausgebildete Lehrkräfte anderer Schularten gezielt für die Grundschule zu qualifizieren, müssen viele Grundschulen sich damit behelfen, Bewerber:innen einzustellen, die anders qualifiziert sind.Ausfälle während des Schuljahres durch Langzeiterkrankungen oder Schwangerschaft können oftmals gar nicht mehr ersetzt werden. Von einem funktionierenden Einsatz von „Feuerwehrlehrkräften“ kann nicht mehr die Rede sein, da es immer schwieriger wird, diese Stellen zu besetzen, bestenfalls durch Studierende.

Die dringend notwendige Einarbeitung vieler nicht für die Grundschule qualifizierten Lehrkräfte ist für die Kolleg:innen eine zusätzliche Belastung und führt zu einer weiteren Arbeitsverdichtung, die nicht nur durch Corona die Grenze der Unerträglichkeit erreicht hat. Viele Lehrkräfte haben das Gefühl, den Anforderungen überhaupt nicht mehr gerecht werden zu können. Die Folge ist beispielsweise, dass immer häufiger Krankheiten nicht auskuriert und Fortbildungsangebote in den Abendstunden wahrgenommen werden, damit nicht noch mehr Unterricht ausfällt.

„Es dürfte also niemanden mehr verwundern, dass viele Kolleginnen und Kollegen auf der Suche nach einer Planstelle in die benachbarten Bundesländer abwandern, denn im Vergleich der Besoldung schneidet Rheinland-Pfalz sehr schlecht ab. Die GEW Rheinland-Pfalz erwartet die Gleichstellung aller Lehrämter, verbunden mit einer einheitlichen Regelstudiendauer von zehn Semestern mit Studienabschluss Master sowie der Anhebung der Eingangsbesoldung auf A 13“, so Klaus-Peter Hammer, Vorsitzender der GEW Rheinland-Pfalz. „Dieser Schritt ist überfällig.“

Schulleiter:innen sind am Limit. Dies formulierten GEW-Schulleitungen vor kurzem sehr eindringlich in einem offenen Brief an das Bildungsministerium. „Es wäre jetzt an der Zeit, den Kolleg:innen seitens des Bildungsministeriums ein positives Signal zu senden, um die Attraktivität des Berufes der Schulleiter:in zu steigern“, so Hammer.

Ähnlich stellt sich die Situation an den rheinland-pfälzischenFörderschulen dar. Von einem geregelten Unterrichtsbetrieb kann aufgrund des akuten Fachkräftemangels an vielen Schulen keine Rede mehr sein. Im vergangenen Sommer konnten ca. 50 Planstellen allein aufgrund des Bewerber:innenmangels nicht mehr besetzt werden. Immer noch verlassen mehr Förderschullehrkräfte aus Altersgründen die Schulen als es neue Bewerbungen gibt. Die Zahlen an den Studienseminaren sind seit Jahren rückläufig, so dass nach wie vor nicht die notwendige Anzahl von Bewerber:innen vorliegt, um alle freiwerdenden Planstellen wiederbesetzen zu können. Dies setzt sich Jahr für Jahr fort.

Hinsichtlich der Pädagogischen Fachkräfte konkurriert das Förderschulsystem mit den Kitas. Der Mangel kann kaum mehr aufgefangen werden. Bei den Pädagogischen Fachkräften fehlen den Schulen ca. 60 bis 80 Personen. In der Statistik tauchen die fehlenden Stellen selten auf, weildie Verwaltungsvorschriften hierzu ignoriert werden

Für einzelne Bereiche, wie z.B. dieFörder- und Beratungszentren (FBZ) fehlen entsprechende rechtliche Vorgaben aus dem Bildungsministerium. Die FBZ-Stunden sollen Lehrkräfte anderer Schularten in ihrer Unterrichtsarbeit bei Schüler:innen mit besonderen Problemstellungen unterstützen. Die FBZ-Stunden werden jedoch zugunsten des Unterrichts an den Förderschulen mehr und mehr abgebaut. Notwendige Unterstützung der anderen Schularten fällt damit weg.

„Die Personalvertretungen weisen auf diesen Missstand seit Jahren hin“, erläutert Birgit Wolsdorfer, stellvertretende Vorsitzende der GEW Rheinland-Pfalz. „Selbst wenn statistische Zahlen des Ministeriums irgendwann vorliegen, spiegeln sie nicht die Realität an den Schulen. Die tatsächliche Unterrichtsversorgung kann weder den Bedürfnissen der Förderschulen noch denen der anderen Schularten gerecht werden.“

Der Mangel an Förderschullehrkräften trifft in besonderem Maße auch dieSchwerpunktschulen. Für die GEW Rheinland-Pfalz stellt sich die Frage: Wie soll Inklusion gelingen, wenn schon für die integrativen Schularten die Fachkräfte heute fehlen? Die Kolleginnen und Kollegen an den Schwerpunktschulen sind mehr und mehr überfordert und entmutigt. Die Regelschullehrkräfte, weil sie mehr Unterstützung brauchen und die Förderschullehrkräfte, weil die Erwartungen an das, was sie leisten sollen, immer anspruchsvoller wird. Die zunehmende Arbeit verteilt sich auf immer weniger Personen. Gute Konzepte der Schwerpunktschulen können mangels Personal nicht mehr aufrechterhalten werden und engagierte Kolleg:innen werden immer unzufriedener, weil sie weder den Schülerinnen und Schülern gerecht werden noch an einer gelingenden Inklusion mitarbeiten können.

Förderschullehrkräfte an Schwerpunktschulen werden an die Förderschulen rückabgeordnet, um dort den Unterrichtsbetrieb einigermaßen aufrechterhalten zu können. So werden z.B. die Berechnungsmodelle für die Unterstützung der Schwerpunktschulen mit Förderschullehrkräften, die auf keiner Rechtsvorschrift basieren, immer weiter gekürzt.

„Der Auftrag der Schwerpunktschulen im Sinne des Schulgesetzes kann aber nur dann umgesetzt werden, wenn genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen“, so Wolsdorfer. „Schon mehrfach hat die GEW Rheinland-Pfalz in den vergangenen Monaten darauf hingewiesen, dass der Weg hin zur schulischen Inklusion in Rheinland-Pfalz so zum Scheitern verurteilt ist. Die vor wenigen Monaten auch von der GEW in der Presse vorgestellte Studie zur Situation der Inklusion in Rheinland-Pfalz von Professor Wrase hat dies deutlich aufgezeigt.“

Die GEW erwartet umgehend konkrete Vorschläge seitens des Bildungsministeriums, wie der Weg hin zur schulischen Inklusion in Rheinland-Pfalz gelingen kann. Ein „Weiter so“ darf es nicht geben.

Auch an denIntegrierten Gesamtschulen in Rheinland-Pfalz ist die personelle Situation sehr angespannt. Da die überwiegende Anzahl der Integrierten Gesamtschulen inklusiv arbeiten möchte, macht sich auch hier der Mangel an Förderschulkolleg:innen bemerkbar. Fehlende Ressourcen an Multiprofessionalität wirken sich so aus, dass viele Kolleg:innen erkennen, dass sie unter diesen Umständen eine angemessene individuelle Förderung aller Schüler:innen nicht mehr leisten können.

An den IGSen fehlen neben den Förderschullehrkräften vermehrt Realschullehrkräfte. Aufgrund der heterogenen Schüler:innenschaft beeinträchtigt das Ungleichgewicht der pädagogischen Professionen die pädagogische Arbeit an den Schulen. Der Personalmangel insgesamt führt dazu, dass Unterrichtsausfall auch durch interne Umschichtungen begegnet werden muss. Dies wirkt sich negativ auf die bestehenden pädagogischen Konzepte der Integrierten Gesamtschulen aus.

Ebenso haben dieRealschulen plus Probleme mit dem Fachkräftemangel. Es gibt nach wie vor große Bedarfe in den Fächern Physik, Musik, Französisch sowie in den Wahlpflichtfächern. Darüber hinaus geht derzeit die Anzahl der Lehramtsanwärter:innen stetig zurück.

Es konnten zwar alle Planstellen mit voll ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden. Allerdings war es schwierig, jede Schule gemäß ihrem konkreten Fachbedarf zu versorgen bzw. qualifizierte Vertretungslehrkräfte zu finden. Durch fehlende Förderschullehrkräfte ist die pädagogische Arbeit als Schwerpunktschule an den Realschulen plus ebenfalls mehr als nur erschwert.

An denGymnasien fehlen Vertretungslehrkräfte. Lehrkräfte, die jetzt erkranken, können nicht mehr adäquat ersetzt werden. Auch die Anzahl der Lehramtsanwärter:innen ist stetig rückläufig. So ist zu befürchten, dass sich in naher Zukunft auch bei den Gymnasien der Fachkräftemangel bemerkbar macht und das Schulsystem belastet. Es fehlt den Schulen sowohl an pädagogischem Personal als auch an Verwaltungsfachkräften.

Die Berufsbildenden Schulen beklagen in den letzten Jahren einen Unterrichtsausfall zwischen 3,2 und 4 %. Der Unterrichtsausfall durch temporäre Vertretungsgründe wie beispielsweise Krankheit, Mutterschutz, Fortbildungen dürfte zwischen 8 und 9 % liegen. Die bisher eingesetzten Instrumentarien zeigen also durchaus Wirkung und das ist gut so. Diese Zahlen spiegeln jedoch nicht die Diskrepanz zwischen dem geplanten Unterrichtsangebot und dem tatsächlich realisierbaren Angebot vor Ort wider. Aufgrund der leider chronisch „dünnen Personaldecke“ besonders in einigen beruflichen Mangelfächern und in den MINT-Fächern, können ausfallende Unterrichtsstunden durch die bildungs- und gesellschaftsrelevanten Fächer wie beispielsweise Sozialkunde oder Deutsch vertreten werden, um den strukturell bedingten Unterrichtsausfall gering zu halten und wenigstens in diesen Bereichen für eine solide Grundbildung zu sorgen. Insgesamt bedarf es jedoch dringend einer schulischen Fachkräfteinitiative und einer Steigerung der Attraktivität des Lehrberufs, damit die Berufsbildenden Schulen ihrer Kernaufgabe im Kontext der Dualen Bildung noch gerecht werden können.

Aus Sicht der GEW sollten sowohl kurz- als auch langfristig folgende Maßnahmen ergriffen werden, damit die Schulen in Rheinland-Pfalz ihrem Bildungsauftrag gerecht werden können:

Noch in diesem Jahr muss das Studium des Förderschullehramts an der Universität Koblenz ermöglicht werden.

DamitInklusion zukünftig gelingt, müssen umgehend Unterstützungskonzepte aufgestellt und direkt umgesetzt werden.

Multiprofessionelle Teams müssen an allen Schularten, auch an den Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen,sofort installiert werden; so arbeiten z.B. viele Pädagogische Fachkräfte an den neuen Ganztagsschulen in Zwangsteilzeit nur mit halben Verträgen. Hebt man diese Vorgabe nicht endlich auf, werden die Ressourcen dieser Kolleginnen und Kollegen weiterhin nicht genutzt.

Vertretungsmonate,die das Land zur Finanzierung von Ausfällen im Schulbereich zur Verfügung stellt,müssen konsequent bedarfsorientiert aufgestockt werden. Schulen brauchen eineÜberversorgung von mindestens 105 %, um den sich stetig verdichtenden Arbeitsanforderungen gerecht werden zu können und Vertretungsreserven zu haben.

Das Programm „Aufholen nach Corona“ muss besser strukturiert werden: Verträge müssen ohne Ferienunterbrechung abgeschlossen werden können. Kaum einer Schule gelingt es überhaupt, die entsprechenden Menschen zu finden; wenn dann noch unattraktive Vertragsgestaltungen hinzukommen, sind die Schulen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr konkurrenzfähig.

Die Ausbildung der Erzieher:innen und der Pädagogischen Fachkräfte an Schulen muss schleunigst ausgeweitet werden, um dem drohenden Konkurrenzkampf zwischen Kita und Schule entgegenzuwirken. Hierzu bedarf es einer Studiermöglichkeit des Faches Sozialpädagogik für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz, um für den sozialen Bereich adäquat ausbilden zu können. Und nicht zuletzt braucht das Land einevernünftige Bezahlung der Tarifbeschäftigten im Schuldienst. Jahr für Jahr arbeiten sich die Personalvertretungen in der ADD ab, um die Eingruppierungen der Neueinstellungen zu verbessern. Die nach einem gewonnenen Gerichtsverfahren von 2019 notwendigen Verhandlungen zu Dienstvereinbarungen werden verzögert. Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2022. Noch immer werden neu eingestellte Kolleg:innen oftmals so rigide eingruppiert, dass viele nach einem ersten PES-Vertrag an einer Schule nicht mehr weiterarbeiten möchten.

All diese Vorschläge hatte die GEW schon vor der Corona-Pandemie formuliert. Jedoch veränderte sich durch Corona die Situation an den Schulen derart, dass die Lehrkräfte jetzt kaum mehr weiterarbeiten möchten oder können. Pandemiebedingt befinden sich derzeit alle Schulen im Notbetrieb und verfügen nur noch unzureichend über genügend Personal, um zusätzlich zum „normalen“ Schulbetrieb das Aufholen von Lernrückständen zu stemmen und gleichzeitig den coronabedingten Ausfall von Kolleg:innen zu kompensieren.

„Wäre nicht die Pandemie, hätten schon viele Lehrkräfte das Handtuch geworfen. Es ist nur der hohen Verantwortlichkeit und dem sozialen Denken jeder einzelnen Lehrkraft gegenüber den Schülerinnen und Schülern sowie jeder einzelnen Schulleiterin bzw. jedem Schulleiter gegenüber dem Kollegien zu verdanken, dass es an den Schulen noch läuft“, so Wolsdorfer abschließend.

 

Quelle: Gewerkschaft, Erziehung, Wissenschaft Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 18.02.2022

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